Hirtenbrief von Bischof Hermann – Ostern 2020

Liebe Gläubige, Schwestern und Brüder!

Wir feiern Ostern heuer deutlich einfacher. Viel Vertrautes, viel Brauchtum und die gemeinsamen Gottesdienste fallen weg. Leider. Aber vielleicht auch eine Chance. Ich ermutige zur Hauskirche. Sie ist der ursprüngliche Ort des Glaubens. In den ersten Jahrhunderten gab es weder Dorfkirchen noch Basiliken. Der Lebensimpuls von Kirche kam aus den kleinen Hausgemeinschaften. Vielleicht fühlt es sich anfangs ungewohnt an, im eigenen Wohnzimmer zu beten und das Wort Gottes zu lesen. Aber es ist möglich. Mit der Bibel, mit etwas Kreativität und guten Behelfen wird es gelingen. Wie Kinder und die verunsicherten Jünger von damals sind wir in der „Schule des österlichen Glaubens“.

 

Wie war das erste Ostern?

Die Bewegung, die Jesus ausgelöst hat, schien nach seiner Hinrichtung gescheitert zu sein. Die verängstigten Jünger versetzten sich aus Furcht in Quarantäne. Ein paar mutige Frauen gingen trotzdem in aller Frühe zum Grab. Ihre schlimmsten Ahnungen wurden übertroffen. Das Grab war leer. Engel versuchten ihnen alles zu erklären. Vorerst vergeblich. Einige Jünger, die aufs Land unterwegs waren, erzählten später, dass auch ihnen Jesus begegnet sei. Maria von Magdala berichtete sogar, dass sie vom vermeintlichen Gärtner bei ihrem Namen angesprochen wurde. Das gab ihr die Gewissheit: Jesus lebt! Darauf kam der Auferstandene durch verschlossene Türen. Er zeigte den Jüngern seine Wundmale. Langsam fanden sie zum Glauben. Auch wir müssen „österlich glauben“ lernen.

 

Was ist österlicher Glaube?

Er lebt von der Gewissheit, dass der auferstandene Christus mitten unter uns ist. Real gegenwärtig, keine Einbildung! In unendlich vielen Gesichtern und Situationen kann man ihm begegnen. Meist überraschend.

Österlicher Glaube ist weit mehr als ein emotionaler Stimmungs-Aufheller und gewiss auch kein „Problem-Wettex“. Nach Ostern werden die aktuellen Probleme nicht weggewischt sein. Es bleiben die Fragen: Wie geht gesellschaftlicher „Normalbetrieb“? Wie die wirtschaftliche Katastrophe beheben? Wie das Sozialsystem aufrechterhalten? Österlicher Glaube hilft, die Not zu sehen. Er ist kein frommes Darüberwischen, sondern eine Aufsteh-Kraft, ein wachsender innerer Widerstand gegen jede Verzweiflung. Österlicher Glaube gibt Klarheit für anstehende Entscheidungen und vermehrt die Geduld.

 

Wie lebt ein österlicher Mensch?

Bewusster und dankbarer. In der Covid-Krise wurde uns die Zerbrechlichkeit des Lebens deutlich vor Augen geführt. Wir sind verwundbarer als wir denken. Ein österlicher Mensch geht gelassener mit Schwäche, Krankheit und Tod um. Er weiß, „dass mit Gott das Leben niemals zugrunde geht.“ (Papst Franziskus)

Nach jedem Scheitern und persönlichem Versagen ist ein Neubeginn möglich. Dennoch gibt es keine Herdenimmunität gegen Bosheit, Gleichgültigkeit und liebloses Reden. Es braucht täglich eine Entscheidung für die Liebe. Österliche Menschen leben vom Frieden, den der Auferstandene den Jüngern zugesagt hat. Sie versuchen, aus diesem Frieden zu leben und sich gegenseitig zu stützen. Bleiben wir dran!

 

Was macht eine österliche Kirche aus?

Wir dürfen uns nicht in Isolation begeben. Der Rückzug, weil viel Gewohntes nicht mehr möglich ist, wäre fatal. Ich danke allen, die in den letzten Wochen eine neue missionarische Kreativität entwickelt haben. Viele Frauen und Männer in der Pastoral, Seelsorge und Caritas suchten nach neuen Wegen, um Menschen zu erreichen und für sie im Auftrag Jesu da zu sein. Bleiben wir in dieser österlichen Dynamik! Sie setzt sich fort in den 50 Tagen der Vorbereitung auf Pfingsten.

In allem zählt die Liebe. Sie ist das österliche Feuer in unseren Herzen. Wir haben auch zukünftig keine Erfolgsrezepte, aber wir spüren deutlicher unseren Auftrag, niemanden zu übersehen. Die kleinen Weggemeinschaften werden an Bedeutung gewinnen. Von ihnen geht eine positive „Ansteckungsgefahr“ für die österliche Freude aus. Die Nachbarschaft profitiert davon. Glaube ist ganz nah im Alltag, kein frommes Gerede. Wir sind füreinander da. In einigen Kirchen wird heuer im kleinsten Kreis die Osterliturgie gefeiert. Darüber hinaus verbindet uns das Osterlicht.

Ich bitte alle, zu Hause die eigenen Taufkerzen zu entzünden. Der auferstandene Herr ist das befreiende und heilsame Licht – nicht nur für uns, sondern für die ganze Welt!

Frohe und gesegnete Ostern – trotz allem wünscht Euch

Hermann Glettler, Bischof von Innsbruck

Hier auch als Download (Druckversion im Tiroler Sonntag)
Quelle-Text+Foto: www.dibk.at)

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